Ein Selbstmörder
Wer war Hitler: Kapitel #17, 1945
Hitlers Armee stehen zu Jahresbeginn 1945 noch tief im Feindesland. Sie halten Warschau und das eingeschlossene Kurland besetzt. Die Wehrmacht zieht sich durch die Romagna und Oberitalien langsam auf die Alpen zurück. Sie hält noch Budapest und den Westen Ungarns, Tschechien und die Slowakei. Auf dem Balkan sind die deutschen Divisionen, von Partisanen und den Sowjets bedrängt, Richtung Österreich auf dem Rückzug. Im Nordwesten des Kontinents ist der Großteil der Niederlande noch deutsches Besatzungsgebiet und im Norden ganz Dänemark und Norwegen. In Ostpreußen steht die Rote Armee aber schon in einem schmalen Streifen auf reichsdeutschem Territorium, ebenso Amerikaner und Briten links des Rheins.
Die Führer der alliierten Anti-Hitler-Koalition sind zu Beginn des Jahres 1945 siegesgewiss, aber auch enttäuscht, dass sie nicht schon vor Weihnachten 1944 den Sieg erringen konnten. General Dwight D. Eisenhower, der alliierte Oberkommandierende in Europa, hatte während des Italien-Feldzugs 1943 mit dem britischen Feldmarschall Bernard Montgomery um fünf Pfund gewettet, dass Deutschland im Dezember 1944 kapitulieren werde; Montgomery hatte auf das Frühjahr gesetzt. Die Wette wurde auf einer aus einem Notizblock gerissenen Seite notiert und von beiden unterzeichnet: „Vereinbarung zwischen den Generälen Eisenhower und Montgomery, Betrag £5 – General E wettet Krieg mit Deutschland wird bis Weihnacht 1944 zu Ende sein. Lokalzeit.“
Josef Stalin geht Anfang 1945 noch davon aus, dass der Krieg nicht vor dem Sommer endet. Er erwartet den Zusammenbruch Deutschlands als Folge einer Hungersnot, sobald seine Armeen die deutschen Kornkammern im Osten erobert haben. Gegen den Rat von Generaloberst Heinz Guderian, Chef des Generalstabes des Oberkommandos der Wehrmacht, unter Abbruch der Ardennenoffensive alle verfügbaren Kräfte von der Westfront an die Weichsel zu verlegen, hat Adolf Hitler Ende Dezember 1944 sogar Truppen aus dem noch besetzten Polen nach Ungarn in Marsch setzen lassen. Er will das von der Roten Armee eingeschlossene Budapest entsetzen und die ungarischen Ölfelder verteidigen. Am 9. Januar unternimmt Guderian eine Reise in Hitlers Hauptquartier im hessischen Ziegenberg, um anhand von Diagrammen und grafischen Darstellungen die Kräfteverhältnisse an der Weichselfront vorzuführen. Hitler zu diesem vom Militärgeheimdienst erstellten Material: „Das ist ja völlig idiotisch, wer hat das angefertigt? … Der Mann gehört ins Irrenhaus.“
In den letzten vier Kriegsmonaten werden 471.000 Tonnen Bomben auf Deutschland abgeworfen, das ist doppelt so viel wie im gesamten Jahr 1943. Allein im März gehen fast dreimal so viele Bomben nieder wie im ganzen Jahr 1942.
Die Rote Armee tritt auch nicht, wie von Hitler erwartet, in Ungarn, sondern am 12. Januar 1945 von ihren Brückenköpfen an der Weichsel aus zur Winteroffensive an. Die 1. Weißrussische Front unter Georgij Schukow überrollt die deutschen Verteidigungslinien im Raum Warschau. Am 17. Januar besetzt sie die geräumte polnische Hauptstadt. Ende Januar 1945 steht sie schon entlang der Oder von Küstrin bis Guben knapp achtzig Kilometer vor Berlin. Die 1. Weißrussische Front errichtet am Westufer der Oder bei Küstrin und Frankfurt/Oder zwei Brückenköpfe.
Anfang Februar 1945 haben sich die letzten deutschen Einheiten aus Belgien zurückgezogen. Am 23. Februar beginnt unter britischem Kommando an der Westfront eine Offensive, die die Wehrmacht auf das rechte Ufer des Niederrheins zurückdrängte. Als Oberbefehlshaber in Europa stoppt General Dwight D. Eisenhower Anfang März den jetzt beginnenden Vormarsch der alliierten Truppen in Richtung Berlin. Er will die Eroberung Berlins der Roten Armee überlassen.
Am 5. März 1945 beruft die Wehrmacht alle Jungen des Jahrgangs 1929 zum Kriegsdienst ein.
Zwei Tage später kann durch einen schnellen Vormarsch eine kleine Vorausabteilung der 9. US-Panzerdivision bei Remagen in der Nähe von Bonn eine unzerstörte Eisenbahnbrücke erobern und über den Rhein setzen. Das linksrheinische Köln wird am gleichen Tag von den Amerikanern besetzt.
Während es den englischen und amerikanischen Truppen auf Hamburg, Magdeburg, Leipzig und München vorrücken, bringen die Sowjets rund 2,5 Millionen Soldaten für den Angriff auf Berlin in Stellung. Ihnen gegenüber stehen rund eine Million deutsche Soldaten, die sich aus Resten von Wehrmachtsdivisionen, Verbänden der Waffen-SS sowie aus improvisierten Verbänden von Polizei, Volkssturm und Hitlerjugend zusammensetzen. Am 16. April 1945 beginnt die Rote Armee mit einem Zangenangriff die Schlacht. Die 1. Ukrainische Front überrollt die deutschen Verteidigungsstellungen an der Lausitzer Neiße südlich von Berlin. Die 1. Weißrussische Front umgeht nach verlustreichen Durchbruchskämpfen auf den Seelower Höhen die Stadt im Norden. Rund zwei Millionen im zerstörten Berlin verbliebene und von täglichen Luft- und Artillerieangriffen zermürbte Einwohner suchen während der Kämpfe in Kellern und Bunkern Schutz.
In der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 bittet Walter Hewel, Verbindungsbeamter der Auswärtigen Amtes im Führerhauptquartier, Hitler um Befehle für seinen Minister Joachim von Ribbentrop. „Mein Führer, es ist fünf Sekunden vor zwölf. Wenn Sie mit Politik noch irgendetwas erreichen wollen, dann ist es allerhöchste Zeit.“ „Politik?“ fragt Hitler. „Ich mache keine Politik mehr. Das widert mich so an. Wenn ich tot bin, werdet Ihr noch genug Politik machen müssen.“
Nur in zähen und verlustreichen Straßenkämpfen gelingt es den Sowjets, in das Zentrum der Stadt vorzustoßen. Am 30. April hissen Rotarmisten auf der Spitze des Reichstags die rote Fahne mit Hammer und Sichel.
Hitler hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden, durch Selbstmord aus dem Leben zu scheiden. Am 29. April heiratet er seine langjährige Geliebte Eva Braun, die mit ihn in den Tod geht. Er verfasst ein persönliches und ein politisches Testament, stößt dabei Göring und Himmler aus der NSASDP aus und enthebt sie allen Ämtern und bestimmt Karl Dönitz als Reichspräsidenten und Obersten Befehlshaber und Joseph Göbbels als Reichskanzler zu seinen Nachfolgern. Schließlich erschießt er sich am Nachmittag des 30. Aprils im Bunker der Reichskanzlei. Eva Braun vergiftet sich mit Zyankali. Die Leichen werden vor dem Bunker in einem Erdloch verbrannt und anschließend vergraben. Die Überreste werden von den Russen wenig später exhumiert. Anhand des Kiefers und eines Abgleichs mit dem Zahnstatus wird die Leiche als die von Adolf Hitler identifiziert. Was mit der Leiche Hitlers passiert ist bis heute nicht gänzlich geklärt. Angeblich sollen sich der Kiefer und Schädelteile im russischen Staatsarchiv befinden und die restliche Leiche soll nach mehreren Umbettung 1970 endgültig eingeäschert und die Asche an einem bis heute unbekannten Ort verstreut worden sein, damit es keine Grabstelle gibt. Die Russen behalten ab Mai 1945 nicht nur ihr Wissen für sich, sondern betreiben bewusst Desinformation und nähren so stetig Zweifel, ob Hitler wirklich tot sei und bieten so Verschwörungstheorien Raum, dass Hitler noch lebe und entkommen sei. Die offizielle Todesfeststellung erfolgt in Deutschland erst am 25. Oktober 1956 durch das Amtsgericht Berchtesgaden, nachdem die letzten Augenzeugen aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekommen waren und vernommen werden konnten. Erst Anfang der 1960er Jahre erklären die Russen, dass sie Hitler mit Sicherheit für tot halten und geben teilweise Details preis.
Am 3. Mai 1945 besetzen britische Einheiten das zur „offenen Stadt“ erklärte Hamburg. In Dänemark, den Niederlanden und Nordwestdeutschland kapituliert die deutsche Wehrmacht einen Tag später. Am Brenner-Pass treffen amerikanische Armeen aufeinander, die in Sizilien und in der Normandie gelandet sind. Am 5. Mai wird als letztes großes Konzentrationslager Mauthausen in Österreich von den Amerikanern befreit.
Nachdem am 7. Mai 1945 in Reims mit einer ersten Unterschrift die deutsche Kapitulation für den 8. Mai 1945 24.00 Uhr unterzeichnet worden war, besteht die Sowjetunion auf einer weiteren Zeremonie in der Reichshauptstadt Berlin. Generalfeldmarschall Keitel, Generaladmiral von Friedeburg und Generaloberst Stumpff werden mit britischen Militärmaschinen von Flensburg nach Berlin-Tempelhof geflogen, um im Offizierskasino der Wehrmachts-Pionierschule Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation zu paraphieren. Die Unterschriften nehmen Marschall Schukow als sowjetischer Oberkommandierender und der britische Air-Marschall und Stellvertreter Eisenhowers, Sir Arthur Tedder, für das westliche Hauptquartier, als Zeugen der amerikanische General Spaatz und der französische General de Lattre de Tassigny entgegen. Die Unterzeichnung beendet den Krieg in Europa.
In Fernost wird dagegen seitens der Japaner noch gekämpft. Erst nach den beiden Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki im August endet der von Hitler angezettelte 2. Weltkrieg mit der Kapitulation Japans am 2. September 1945 – mit geschätzten 65 Millionen toten Soldaten und Zivilisten sowie 6 Millionen ermordeten Juden.